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BREMISSIMA | Januar-Februar 2016

bremissima 63Fashion Backstage in sich zusammenstürzen. Ich erinnerte mich noch an so einige experimentelle Projekte in den ersten Semestern meines Studiums und an die Unkosten, die entstanden, je verrückter die Idee wurde. Unangenehm fiel mir auch das Zusammentreffen eines Cutters mit meinen Fingerkuppen ein. Da ich mich schon des Öfteren mit Materialien auseinandersetzte, die ihre Anwendung im Modellbau finden, dachte ich sofort an Deparfit. Dies sind ca. ein Zentimeter dicke Schaumstoffplatten, die von der Rück- und Vorderseite mit einer papierartigen Folie beschichtet sind. Also der Optik von Pappe sehr ähnlich sind, dennoch um einiges stabiler durch die Dicke, wenn es gut verarbeitet wird. Zusammen mit Juan, haben wir ein kleines Modell aus den Platten gebaut. Diese Platten kann man super mit einem Cutter ausschneiden, wichtig ist nur ein sauberer, gerader Schnitt, damit die Seiten später dreidimensional aneinander passen. Ist alles berechnet und zugeschnitten, wird es mit Heiß- kleber fixiert. Nach dem Maßstab des Modells haben wir dann eine Hochrechnung erstellt für die spätere Realisierung. Wie viele Platten benötigen wir später vom Deparfit und dementsprechend wie viele Pakete Heißkleber. Mit dem fertigen Modell, Kosten- und Um- setzungsplan ging es dann zum Vorstand. Die Idee wurde vorgestellt und zum Glück abgesegnet. Einige Zweifel kamen mir allerdings entgegen, ob das Material tatsächlich in einer solchen Größe bestehen kann und nicht bricht beim Aufstellen. Die Meinungen einiger, die aus Erfahrung sagten, das Material wäre ungünstig, verunsicherten mich minimal, aber ich glaubte da ganz fest an meine Erfahrung mit Papier und sprach dagegen. Wenn es um höhere Kosten geht, kann ich Unruhe immer verstehen, aber ein gewisses Vertrauen sollte schon bestehen. Eine große Erleichterung war, dass der Bau direkt in der Handelskammer stattfinden konnte. Das ersparte noch unnötige Transportkosten. Zeitfenster für die Herstellung waren vier Tage. Zuerst wurde die Fläche am Boden ausgemessen, 8 x 7 Meter und mit Klebeband ein Viereck gezogen. Danach jeder Meterpunkt markiert und das A proportional eingezeichnet. Dies war der wichtigste Teil, denn wenn die Proportion am Anfang nicht stimmt, werden die Deparfit- Platten falsch zugeschnitten und das Projekt endet in einer Katastrophe. Die Handelskammer verfügt über mehrere Stockwerke, so ging immer einer zur Kontrolle ein Stockwerk höher und schaute, ob die Propor- tionen stimmen. Wenn nicht, wurde ausgebessert. Nachdem die Aufzeich- nung am Boden stimmte, wurden die Platten aufgelegt und mit Cutter und Lineal per Hand zugeschnitten. Es lief nahezu ohne große Komplikationen. Bis zu dem Tag, an dem eine Philharmonie einKonzertimHofspielte.JedesMitglied stimmte und spielte sein Instrument im Saal ein. Vor lauter Konzentration auf ihr Instrument schienen sie unser A mit einem „roten Teppich“ zu verwechseln und liefen nach mehreren Unterlassungsaufforderungen immer noch mit ihren Hackenschuhen auf unseren zugeschnittenen Deparfit- Platten herum. Da es Schaumstoff- platten sind, bohrte sich der Absatz schön hinein. Wir fingen dann an, Schilder aufzustellen und auch die schienen teilweise übersehen zu werden. Dazu kam einer der heißesten Tage in Hamburg. An die 40 Grad. Am Ende dieses Tages fühlte ich mich wie in einer Wüste auf der Suche nach Wasser und mein Gehirn schien entsprechend unterversorgt. Noch ein Tag blieb uns. Dies bedeutete, kleben wie ein Weltmeister, und alle Plattenreste ins Innere kleben für ein stabiles Gerüst. Verbrennungen, Blasen und Muskelkater, aber das Ziel vor Augen. Und bitte nicht zerbrechen, liebes A. Immer noch zweifelten so einige an dem Konstrukt, ob es denn tatsächlich stehen würde?! Die letzten Schliffe. Noch mal schnell sieben Platten Sperrholz besorgen und durchsichtigen Nylondraht, um das Ganze später hochzuziehen. Die Technikfirma war nun auch eingetroffen und sagte „tolle Arbeit, aber stehen wird das nicht“. Vielen Dank auch für Ihre Meinung. Die Nylonfäden wurden in den ersten Stock gezogen, rechts und links mehrere Personen der Technikfirma. Der Moment ist gekommen. Alle packen mit an und es wird aufgestellt. Ich darf vorstellen, wider alle Bedenken, das A steht wie eine Eins! Aufgabe erfüllt. In der E-Mail des Komitees nach der wunderbaren Show: „Ich muss Abbitte leisen, ich hätte nicht geglaubt, dass das A stehen wird, und nun das! Das bitte der netten engagierten Szenografin mitteilen!“ Wenn das nicht runtergeht wie Öl. Und wieder einmal möchte ich allen mitteilen: Auch wenn alle gegen euch sprechen, wenn ihr eine Vision habt und daran glaubt, macht euer Ding. Kämpft für das, was euch wichtig ist. Denn wie heißt das schöne Zitat von Bertolt Brecht: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Die Bremerin Lara Packheiser ist erfolgreiche Illustratorin, Mode- und Set- Designerin. Mehr Fotos auf www.larapackheiser.de

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