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BREMISSIMA Magazin September-Oktober 2016

53 bremissima 53 angepackt V or 21 Jahren kam Do- rothee Hansen nach Bremen. Grund dafür war die Kunsthalle. Als Kustodin ist sie seither verantwortlich für die Gemälde vom Mittelalter bis um 1900. Das sind rund 1.000 Werke. Heißt das, sie kann alle Bilder auswendig aufsagen? „Nicht alle“, meint die Kunsthistorikerin, „aber eine ganze Menge. Doch darum geht es nicht. Mir ist wichtig, immer wieder interessante Werke herauszu- picken und neue Fragen zu stellen, um sie dem Publikum stets auf neue Weise zu vermitteln. Sei es durch Ausstellun- gen oder durch Führungen, Vorträge oder auf dem Blog der Kunsthalle.“ Neben Recherchen zur Sammlung verantwortet sie vor allem Ausstellun- gen, die sich mit der Kunst des 19. und frühen 20. Jahrhunderts befassen – ei- ner Periode, die beim Publikum hoch im Kurs steht. Persönlich hat sie eine besondere Schwäche für die französi- sche Malerei des 19. Jahrhunderts. Das trifft sich gut: „Aus dieser Zeit stam- men die besten Bilder der Kunsthal- le, hier liegt die große Stärke unserer Sammlung,“ erklärt sie. „Als Beispiel sind die Bilder von Edouard Manet, Claude Monet, Vincent van Gogh oder Max Liebermann zu nennen. Der Kunstverein hat diese Bilder schon vor über 100 Jahren angekauft und hat da- her große Bedeutung für die Durchset- zung dieser Künstler in Deutschland. “ Seit 2008 ist Dorothee Hansen auch die stellvertretende Direktorin der Kunsthalle. Diesen Posten hat sie sich selbst erarbeitet. Ihre Ausstellungen wie Van Gogh – Felder (2001/03) und Monet und Camille – Frauenportraits im Impressionismus (2005/06) waren so erfolgreich, dass sie schließlich eine Beförderung nach sich zogen. Genau betrachtet hätte sie auch das Zeug dazu, ein ganzes Museum zu leiten. Wäre das nicht ein Ziel, zumal weib- liche Direktorinnen in deutschen Museen selten sind und es an der Zeit wäre, dies zu ändern? „Ich könnte mir durchaus vorstellen, ein Museum zu leiten. Aber zugleich mag ich an mei- ner Arbeit, dass sie ganz nahe an der Kunst dran ist und das Ausstellungs- Jasmin Mickein / Marcus meyer, marlene röker, verena hornung, michael gielen, birigt kausch machen im Mittelpunkt steht. Ein Direktor reist hingegen viel herum, erfüllt repräsentative Aufgaben und muss sich permanent um das Fundrai- sing kümmern. Vor allem in der Kunst- halle Bremen spielt dies eine wichtige Rolle, denn – was viele nicht wissen – das Haus wird privat getragen. Der Kunstverein in Bremen wurde 1823 gegründet und betreibt bis heute das Museum. Die Mitglieder und Mäzene von damals wie von heute ermögli- chen die Ankäufe für die Sammlung. Die Kunsthalle Bremen ist ein einma- liges Konstrukt in Deutschland: Eine Sammlung von solcher Qualität ist meist städtisch oder staatlich, bei uns hingegen sind die rund 9.000 Mitglie- der auch Mitbesitzer der Sammlung. Sie können sagen: ‚Der Picasso gehört mir.‘“ Die bisher von Dorothee Hansen or- ganisierten Ausstellungen prägten das Image der Kunsthalle Bremen essen- ziell mit. Besuchermagneten wie bei- spielsweise die Van Gogh-Ausstellung von 2002, die über 320.000 Besucher aus Deutschland und dem Ausland an- zog, oder die Monet-Ausstellung von 2005, bei der das circa 2,3 x 1,5 Meter große Bremer Gemälde Camille von Claude Monet im Zentrum stand, sind bis heute die meistbesuchten Ausstel- lungen der Kunsthalle Bremen. Auch der derzeit in Vorbereitung befindli- chen Ausstellung über Max Lieber- manns Darstellungen von Sportarten wie dem Reiten, Tennis und Polo (ab 22. Oktober 2016) schaut man erwar- tungsvoll entgegen. Die berühmte Papageienallee, ein Meisterwerk Lie- bermanns aus der Kunsthalle Bremen, wird hier zu sehen sein. Das Bild zeigt flanierende Menschen im Amsterda- mer Zoo. Damals begann der Künstler, sich für die Freizeitbeschäftigungen der bürgerlichen Gesellschaft zu in- teressieren. Auch das Baden im Meer und das Reiten am Strand begeister- ten ihn als Bildmotiv. Von dort war es nur ein kleiner Schritt zu modernen Sportarten wie Tennis und Polo. Hansen verbindet in ihren Ausstel- lungen kunsthistorische Meisterwer- ke mit gesellschaftlichen Fragen. Wie kommt es, dass sie es damit immer wieder schafft, das Publikum zu be- geistern? „Mir ist es wichtig, interes- sante Fragen zu stellen, die dann im Rahmen der Ausstellung untersucht werden“, sagt die Kuratorin. „Auf diese Weise erzählt jede Schau eine kleine Geschichte, die den Besucher fesselt und neue Einblicke auch zu bekann- ten Meisterwerken bietet. Ausgangs- punkt der Ausstellungen ist die wun- derbare Sammlung der Kunsthalle Bremen. Sie umfasst erstklassige Wer- ke des französischen und deutschen Impressionismus, der bei Museums- besuchern sehr beliebt ist.“ Offenbar ist vielen Bremern gar nicht bekannt, welche Schätze sich in der Kunsthalle Bremen befinden und welch interna- tionale Bekanntheit die Sammlung hat. „Wir erhalten Leihanfragen aus Museen der ganzen Welt“, erzählt die Museumsfrau. „Manchmal sind die Besucher so überrascht, was hier an den Wänden hängt, dass sie mich fragen, ob das wirklich alles Origina- le sind. Selbstverständlich, kann ich nur sagen – das ist ja das Besondere an einem Kunstmuseum! Ein Besuch im Museum und das Betrachten von originalen Kunstwerken kann nicht durch Abbildungen in Büchern oder im Internet ersetzen werden.“ Der internationale Leihverkehr und der stete Besucherstrom machten ei- nen Erweiterungsbau notwendig, der das Haus nach einem zweieinhalb jährigen Umbau mit insgesamt rund 4.500 m² Ausstellungsfläche und mo- dernster Technik versorgte. Das Mu- seum eröffnete 2011 mit einer gro- ßen Edvard Munch-Ausstellung und mit einer Entdeckung: Unter einem Munch Gemälde aus der Sammlung wurde ein zweites Bild des Meisters entdeckt! „So etwas passiert natür- lich nur ganz selten“, erklärt Dorothee Hansen. „Die vielen Fragen die so ein Fund aufwirft, sind das Spannende an meiner Arbeit.“ In den Depots der Kunsthalle kann man noch viele weitere Entdeckungen machen, denn längst nicht alle Bilder und Skulpturen sind bereits erforscht und publiziert. Es ist eine der Aufga- S

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